Fantasy-Saga für Kinder, Jugendliche und Erwachsene

Kapitel 3

Kapitel 3: Sa'Aris Geheimnis

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Am nächsten Morgen erwachte Adrian schon sehr früh, als die erste Morgensonne durch sein Fenster schien. So viel Licht war er aus seinem Kellerzimmer gar nicht gewohnt. Er lag noch angezogen auf dem Bett, wie er sich gestern Abend erschöpft hatte fallen lassen. Es dauerte eine Weile, bis er wieder wusste, wo er jetzt war. Was sich gestern alles zugetragen hatte, war einfach nur wie ein fantastischer Traum. Ein Blick aus dem Fenster zeigte aber den mysteriösen Garten, wo er gestern beinahe von einer Monsterpflanze angegriffen worden wäre. In der Ferne sah er auch den großen Baum, dessen Ast von dem Blitz abgerissen worden war und wo er und Magnus lange gesessen und geredet hatten und wo er sich fest entschlossen hatte, in die Fußstapfen seines Großvaters zu treten.

Seine Müdigkeit verflog schnell bei dem Gedanken daran, was wohl in ein paar Stunden alles passieren würde, denn heute würde er lernen, wie man zaubert. Und nach allem, was er gestern erlebt hatte, konnte er es kaum erwarten. Er verließ sein Zimmer. Die übernächste Tür stand weit offen, sodass er Magnus sehen konnte, der an einem riesigen Schreibtisch in der Mitte des Raumes saß.

»Komm rein, ich habe dich schon erwartet!«

Die Wände des Raumes waren mit Ausnahme des Fensters und der Tür komplett mit Regalen voller antiker Bücher gefüllt. Auf dem Schreibtisch lagen neben einem großen, offenen Buch noch einige andere, sonderbare Gegenstände, unter anderem auch der Zauberstab, den er gestern schon mehrfach in Aktion gesehen hatte.

»Ich habe für dich passende Sachen anfertigen lassen«, sagte Magnus und zeigte dabei auf ein sorgfältig verschnürtes Päckchen am Rande des Tisches, »Willst du einfach probieren, ob alles passt? Dort im Nebenzimmer kannst du dich umziehen«, fügte er noch hinzu und zeigte auf eine Tür, die sich in der Bücherwand geöffnet hatte. Etwas überrascht ergriff Adrian das Paket und ging in den Nebenraum. Im Paket war eine komplette Ausstattung: Hose, Hemd, Mantel, Schuhe usw. Alles war aus dem gleichen, fast weißen Material, welches in den Farben seiner Umgebung zu schimmern schien - genauso wie die Sachen von Magnus, Myritha und Camille.

Er tauschte seine Kleidung und stellte fest, dass er noch nie etwas so Bequemes getragen hatte. Alles passte so perfekt, als hätte ein Schneider genaues Maß genommen. Das Amulett und den kleinen Beutel mit Magium trug er auch weiterhin unter dem Hemd.

»Du siehst prächtig aus!«, sagte der alte Mann, als er zurück in den anderen Raum trat.

»Das ist ganz besondere Kleidung, es gibt nur eine Handvoll Spezialisten, die solche Sachen fertigen können. Du wirst noch überrascht sein, welche Eigenschaften sie besitzen ... Nur soviel sei dir schon mal verraten: Sie schützen perfekt vor Regen, Hitze und Kälte. Sie gehen nicht kaputt und reinigen sich selbst, falls das einmal notwendig sein sollte. Es ist unser kleines Geschenk an dich!«

»Danke ... Danke«, Adrian wusste vor Staunen gar nicht, was er noch erwidern sollte.

»Wir werden heute gemeinsam eine Reise unternehmen. Ich erwarte, dass es eine schwierige Unternehmung wird. Du hast das Amulett und das Magium, was du von deinem Großvater erhalten hast, bei dir?«

Adrian nickte. Aber woher wusste Magnus von dem Magium? Er hatte doch gar nichts davon erwähnt. Oder doch? Wie, als wenn Magnus Gedanken lesen könnte, sagte er lächelnd, »Dein Großvater musste dir sein Magium vermachen, da du seinen Platz einnehmen sollst!«

Und dann erklärte er ihm, dass Magium das erste magische Element ist und zum Ausüben von Magie benötigt wird, weshalb magische Instrumente wie Zauberstäbe, Zauberringe, Amulette usw. daraus gefertigt werden. Und dass es in der Natur überhaupt nicht vorkommt, sondern nur von, wie er sagte, Zwergen gefertigt und verarbeitet werden könne. Nachdem er so viel über diese einzigartige Metalllegierung erklärt hatte, dass Adrian den Anfang schon fast wieder vergessen hatte, fragte er, »Wie viel Magium besitzt du eigentlich?«

Adrian zeigte ihm seinen kleinen Beutel und erzählte, was er damit schon alles erlebt hatte.

»Es ist schon erstaunlich, was alles in diese kleinen magischen Schatzbeutel reinpasst ...«, sagte Magnus und setzte nach einem Blick in das gefüllte Innere fort, »Das ist mehr als genug! Jetzt ist es Zeit, deine Ausrüstung zu vervollständigen, damit wir mit dem Training beginnen können! Lass uns zuerst noch etwas essen und dann gehen!«

Als sie etwas später vor die Tür traten, konnte Adrian im Gesicht die kühle Bergluft spüren. Von den schneebedeckten Bergkuppen her wehte ein starker, eisiger Wind. Und obwohl seine Kleidung nur aus ganz dünnem und leichtem Material bestand, war ihm überhaupt nicht kalt - ganz wie Magnus es gesagt hatte. Im Garten der magischen Pflanzen konnte er Camille mit Myritha erkennen, wie sie von einer kleinen Pflanze leuchtend blaue Blüten abschnitten. Jedes Mal, wenn sie eine Blüte abgetrennt hatten, stieß die Pflanze hellen Rauch aus und die Blüten schienen lebendig zu werden. Nur mit Mühe konnte Cami sie in einen fest verschließbaren Korb stecken, ohne dass die flatternden Blüten, die sich schon darin befanden, in die Freiheit entkamen. Eine kleine Blüte, der es gelang, flog wie ein bunter Schmetterling davon und war außer Reichweite, bevor das Mädchen sie wieder einfangen konnte. Magnus winkte ihnen zu und lief dann mit Adrian im Gefolge los in Richtung des großen Baumes, wo sie gestern angekommen waren. Dort öffnete er ein Lichttor.

»Halte dich bitte an meinem Arm fest, damit Du nicht an der falschen Stelle rauskommst«, sagte er und dann traten sie beide durch das Tor, was sich direkt hinter ihnen wieder schloss.



Cleora, die schwarze Hexe, tobte vor Zorn. Von ihren Fingern, auf deren Kuppen metallisch glänzende Spitzen wie überlange Fingernägel steckten, sprühten violette Blitze. Vor ihr knieten oder besser lagen fünf von Schmerzen gekrümmte Personen auf dem kalten Steinboden. Sie befanden sich in einem großen, finsteren, fensterlosen Raum, dessen Boden aus poliertem schwarzen Stein bestand. Die hohen Wände und die Decke waren aus grob behauenen, dunklen Steinen und gaben dem Raum das Aussehen einer unheimlichen Grotte. In der Mitte des Raumes schwebte nicht weit unterhalb der Decke eine ringförmige, rot brennende Flamme frei in der Luft und tauchte alles in ein mystisches, flackerndes Zwielicht. An den Wänden standen schweigend in mehreren Reihen dicht gedrängt viele weitere Personen in dunkelroten Umhängen und Kapuzen auf den Köpfen, sodass keine Gesichter zu erkennen waren.

»UND IHR WOLLT MIR WIRKLICH WEISMACHEN, DASS IHR NIEMANDEN GETROFFEN HABT?«, kreischte sie mit furchterregender Stimme in Richtung der fünf am Boden liegenden Personen.

»JA, Gebieterin, so ist es!«, ächzte der Größte von ihnen, »Wir haben alles durchsucht. Vielleicht war die Information nicht richtig! BITTE ...«

»Kumar, ich gebe Dir noch eine letzte Chance ...«, flüsterte sie leise und mit einem Beiton in ihrer Stimme, der den Zuhörern das Blut in den Adern gefrieren ließ, »Finde den Jungen und bring mir das Amulett. Ich brauche unbedingt den Schlüssel vom alten Pallmer! Es ist deine letzte Chance, dich zu beweisen!«

»Und was soll mit dem jungen Pallmer werden?«

»Was kümmert mich der Junge. Der ist keine Gefahr für uns!«, antwortete die Hexe verächtlich und viele der Anwesenden nickten und murmelten zustimmend, »Ich hoffe in deinem Interesse, dass du diesmal mehr Erfolg hast! Ich akzeptiere keine Ausflüchte und keine Entschuldigungen mehr! Du kannst dir selbst auswählen, wer dich unterstützen soll. Gibt es Freiwillige?«

Einige der am Rand stehenden Personen traten einen Schritt vor und Kumar wählte sich acht von ihnen aus. Dann verließ er mit ihnen und seinen vier bisherigen Gefährten den Raum.



Auch bei seinem zweiten Gang durch ein Lichttor kam sich Adrian wie durch einen Schlauch gequetscht vor. Wenigstens war er diesmal auf den Beinen gelandet.

»Fühlt sich das immer so schrecklich an?«

»Mit der Zeit gewöhnt man sich ganz gut daran. Und außerdem hat diese Art zu reisen viele Vorteile ...«

Die Zwei waren am Fuße eines hohen Berges aus dem Lichttor getreten. Überall lagen zertrümmerte Felsbrocken mit scharfen Kanten herum. Nur an der Stelle, wo sie standen, gab es ein kleines, ebenes Plateau von wenigen Metern Durchmesser.

»Wo sind wir hier?«, fragte Adrian den alten Mann.

»Wir sind auf dem Weg zu einer Kolonie von Zwergen. Den letzten Rest des Weges müssen wir aber zu Fuß gehen ... Dort entlang!«, sagte Magnus und zeigte auf eine schmale Lücke zwischen zwei hohen, spitzen Klippen. Während sie über das Geröll kletterten, erzählte er Adrian alles Mögliche über die Zwerge. Sie haben ihren eigenen Herrscher, den Druiden und unterwerfen sich niemals der Regierung oder den Befehlen von Menschen, nachdem sie Jahrhunderte lang von den G'Marbor versklavt gewesen waren. Sie leben meist in kleineren Gruppen in geräumigen Höhlen oder selbst angelegten Stollen und fördern seltene Erze, Edelsteine und Kristalle und sind Meister der Metallverarbeitung. Am Ende seiner Erklärung hielt Magnus noch einmal kurz an und wandte sich Adrian zu.

»In dieser Kolonie gibt es einen ganz außergewöhnlich talentierten Schmied, er heißt Sa'Guor. Ich bin mit diesen Zwergen gut befreundet. Aber ich muss dich warnen! Sie sind unheimlich schnell beleidigt. Vermeide es unbedingt, irgendetwas von ihnen zu fordern! Es gibt nichts, wodurch sie sich mehr beleidigt fühlen. Und sie haben ein unglaubliches Gefühl dafür.«

Und nach einer kurzen Pause setzte er fort, »Wir brauchen für dich ein magisches Medium. Was das Richtige für dich ist, ob ein Zauberstab, ein Ring, ein Zepter oder was auch immer, werden wir schon noch herausfinden. Diese magischen Instrumente müssen aus Magium gefertigt werden. Und ganz wichtig: Zeige ja nicht alles, was du hast, denn viele von ihnen sind auch sehr gierig! Aber wenn du einfach tust, was ich dir sage, kann auch nichts schiefgehen!«

Ein gewisses Unbehagen befiel Adrian schon bei diesen Warnungen. Andererseits konnte er es kaum erwarten, diese Zwerge kennenzulernen. Vor ihnen erhob sich ein großer Felsen und zu beiden Seiten fiel das Gelände steil ab. Nur ein schmaler Pfad auf dem Kamm führte zum Fuß des Felsens und es sah so aus, als ob dort der Eingang zu einer Höhle war. Der Anblick dieses Weges ließ Adrian erstarren.

»Ich geh da nicht lang, niemals!«

Seit er ungefähr acht Jahre alt war, hatte er fürchterliche Höhenangst. Damals war er auf einer alten Holzbrücke, die über einen reißenden Bach mit Hochwasser führte, eingebrochen und hing für fast eine halbe Stunde mit beiden Händen am Geländer und konnte sich nicht selbst befreien. Erst als seine Kräfte schon fast völlig am Ende waren, fand ihn seine Mutter. Seitdem mied er alles, was auch nur annähernd wie ein Abgrund aussah. Adrian sah kreidebleich aus und war unfähig, sich auch nur einen Schritt weiter zu bewegen.

»Höhenangst?«, fragte Magnus mitfühlend. Der Junge nickte nur, was aber kaum zu sehen war, da inzwischen sein ganzer Körper begonnen hatte, heftig zu zittern.

»Schließe einfach deine Augen und halte dich an meinem Arm fest. Und versuche, an etwas Anderes zu denken! Öffne die Augen wirklich erst, wenn ich es dir sage! Setze einfach einen Fuß vor den anderen.«

Adrian gehorchte fast wie ferngesteuert. Er vertraute einfach darauf, was der alte Zauberer machte, ohne lange darüber nachzudenken. Während sie weiterliefen, dachte er an die große, weite Wiese mit der kleinen Hütte, an den Garten und die Berge in der Ferne. Dann schweiften seine Gedanken zu seiner Familie und er fragte sich, was sie jetzt wohl machten. Und bevor er realisierte, dass sie tatsächlich den schmalen Weg entlang liefen, sagte ihm Magnus, dass er seine Augen wieder öffnen könne. Überrascht blickte er auf den Eingang zu einer Höhle und vermied es vorsorglich, noch einmal zurückzuschauen.

»Jetzt wird es etwas eng! Pass auf, dass du dir nicht den Kopf stößt!«

Nachdem sie in den Eingang getreten waren, spürte Adrian sofort und direkt, warum dieser Hinweis so wichtig war, als er mit voller Wucht mit seinem Kopf gegen einen tief herabhängenden Felsvorsprung stieß. Er hatte sich so sehr auf den Boden konzentriert, dass er ihn in der Dunkelheit völlig übersehen hatte. Der Schlag war so stark, dass er beinahe das Gleichgewicht verlor.

»Es ist nichts passiert. Nichts passiert!«, presste er durch seine zusammengebissenen Zähne, während er sich mit der Hand seine Stirn rieb.

Magnus hatte mit seinem Zauberstab eine Lichtkugel erzeugt, die vor ihnen herschwebte und die nähere Umgebung etwas ausleuchtete. Der Gang wurde immer enger und an manchen Stellen konnten sie nur auf allen Vieren vorankommen. Dann erweiterte sich die Enge zu einer großen Halle. Überall an der Decke und auf dem Boden waren riesige Tropfsteine. Ihr kleines Licht warf gespenstische Schatten, die sich wie dunkle Gestalten hinter den Tropfsteinen zu verstecken suchten.

Am Ende der Halle angekommen, standen sie nun vor einer großen, glatten Felswand. Adrian bemerkte begeistert, dass seine neue Kleidung keinerlei Beschädigungen davongetragen hatte, ja noch nicht einmal schmutzig geworden war.

»Wir sind da!«

»Hier? Aber ...«

Adrian brach mitten im Sprechen ab, als sich die Wand vor ihnen plötzlich zu bewegen begann. Am Anfang kaum merklich, formte sich aus dem Fels ein Torbogen, der den Beiden nur bis knapp über den Bauchnabel reichte und eine mit Eisen beschlagene, rustikale Tür kam zum Vorschein. In der Mitte der Tür war ein prächtiges, goldenes Wappen eingelassen, aber eine Klinke gab es nicht. Das Wappen zeigte in der Mitte einen großen Kristall, mehrere Werkzeuge, die auf Bergbau hindeuteten, und war von einem Kranz aus Flammen umgeben, wobei sich diese Flammen wie echtes Feuer bewegten. In regelmäßigen Abständen zuckte ein Blitz von dem Kristall zu dem Flammenkranz und schien das Feuer immer neu zu entfachen.

Magnus trat an die Tür heran und tippte mit seinem Zauberstab dreimal leicht in die Mitte des Wappens. Hinter der Tür begann es zu rasseln und zu klappern und zu klirren, als ob Dutzende von Schlössern und Ketten entfernt würden und nach einigen Minuten begann sich die Tür langsam zu öffnen und gab den Blick frei auf einen weiteren Gang. Zum Erstaunen von Adrian war dieser Gang aber nicht finster, sondern wurde von einem leichten, grünen Licht erfüllt, was von unzähligen Kristallen ausgestrahlt wurde, die in kleinen Vertiefungen überall in den Wänden standen.

Der Gang war nur wenige Meter einzusehen, weil er dann nach rechts um die Ecke bog. Kurze Zeit später waren aus der Ferne Schritte zu hören und schon bald bogen drei sehr kleine, aber kräftige Personen um die Ecke. In seinen Gedanken hatte Adrian versucht, sich das Aussehen der Zwerge vorzustellen und war dabei immer bei den Bildern hängen geblieben, wie sie in Märchen oder als Keramikfiguren für spießige Vorgärten dargestellt werden: kleine, niedliche Wesen mit langem Bart und Zipfelmütze.

Nun stand er aber echten Zwergen gegenüber. Der Erste von ihnen war knapp einen Meter groß, trug eine Hose aus braunem Leder und Lederstiefel. An seinem Gürtel hingen verschiedene Werkzeuge und ein übergroßes Messer. Als Oberbekleidung trug er nur eine Art Lederweste mit sehr vielen kleinen Taschen. Man konnte gut seinen muskulösen Oberkörper und vor allem seine starken Arme sehen. Sein Gesicht war von schwerer Arbeit und Entbehrungen gekennzeichnet. Trotzdem strahlte er eine gewisse Herzlichkeit aus. Er hatte keinen Bart und auch auf dem Kopf nur relativ wenige Haare. In der rechten Hand trug er einen Stab, der fast genauso lang war wie er. Er war nicht überall gleich dick, sondern hatte mehrere fast kugelförmige Verdickungen. Gefertigt war er teils aus Holz und teils aus einem dunklen Metall. Der Zweite von ihnen sah fast genauso aus. Allerdings hatte er keinen Stab.

Der dritte Zwerg hatte zwar ungefähr die gleiche Größe wie die Anderen, ansonsten gab es aber kaum Gemeinsamkeiten mit ihnen. Er hatte üppiges Haar und Vollbart und trug einen grünen Mantel, der bis zum Erdboden reichte. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung, als er Magnus erblickte.

»Ma'Gnus, mein Freund! Was für eine Freude, dich wiederzusehen! Was führt Ma'Gnus hierher nach O'Ra, in den Schoß der eisernen Berge?«

»Con'Or, auch ich freue mich, dich zu sehen! Geht es euch gut? Wie laufen die Geschäfte?«

»Danke der Nachfrage, Con'Or will nicht klagen! Stimmt es, was Con'Or Schreckliches über Her'Mer Pallmer gehört hat?«, dabei wurde die Stimme des Zwerges ganz leise und traurig.

»Ich fürchte ja ... Aber es besteht weiter Grund zur Hoffnung!«, antwortete Magnus und deutete dann auf Adrian.

»Das ist Adrian, Adrian Pallmer. Ja, er ist der Enkel von Hermer - und er ist der potenzielle Nachfolger von ihm im Rat der Magister.«

Der Zwerg wandte sich Adrian zu, musterte ihn für einen kurzen Augenblick und sagte dann mit strahlendem Gesicht und einer leichten Verbeugung, »Ad'Rian Pallmer! Herzlich willkommen! Dein Großvater war immer ein guter Freund Con'Ors und der Zwerge von O'Ra gewesen.«

Nach dieser kurzen, aber herzlichen Begrüßung führte er sie den Gang entlang weiter ins Innere der Höhle. Nach einigen Windungen erweiterte der Gang sich zu einer großen Halle. In der Mitte führte ein Weg aus geschliffenem Steinmosaik entlang. Rechts und links des Weges standen zierliche Steinhäuschen, mit zum Teil sehr kunstvoll geschmiedeten Türen und Fensterläden. Vor und neben den Häusern waren so etwas wie Gärten eingerichtet, nur dass dort kein Gemüse oder Ähnliches wuchs, sondern verschiedenfarbige Kristalle in allen Größen und vielen Formen.

Die Decke der Höhle war ebenfalls mit unzähligen Kristallen bedeckt, die genauso wie in dem Eingangstunnel ein grünliches Licht ausstrahlten und der ganzen Szene ein märchenhaftes Aussehen verpassten. Auf dem Weg und zwischen den Häusern war nur ab und zu jemand zu sehen. Ansonsten war es gespenstisch still.

»Die meisten O'Ras gehen zur Zeit ihrer Arbeit nach. Deshalb sieht es so leer aus«, erklärte Con'Or, als er das fragende Gesicht von Adrian sah.

Nachdem sie ein Stück durch das Dorf gelaufen waren, erreichten sie einen großen Platz. In dessen Mitte stand ein Tisch in Form eines riesigen Kreises. Rund herum standen unzählige kleine Stühle. In der Mitte des Kreises befand sich ein Teich, auf dessen Oberfläche sich die Lichter der leuchtenden Kristalle wie tausende Glühwürmchen spiegelten. Auch unterhalb der Wasseroberfläche konnte Adrian große leuchtende Kristalle sehen, allerdings leuchteten sie in einem eher türkis-farbenen Licht.

Der Tisch war aus vielen verschiedenen, polierten und ohne sichtbare Zwischenräume gefügten Steinen zusammengesetzt und die Stühle waren aus dunklem Holz kunstvoll gefertigt. Das dicke Polster war mit rauem, sehr weichem Leder überzogen. Der Zwerg, dessen Name Con'Or war, setzte sich auf einen der Stühle und bot seinen Gästen ebenfalls einen Sitzplatz an. Zu Adrians Erstaunen wuchs sein Stuhl genau in dem Moment, als er sich vorsichtig setzen wollte, zu einer normalen Größe.

»Was ist der Grund des so unerwarteten Besuchs, Ma'Gnus?«, eröffnete Con'Or das Gespräch, während die anderen beiden Zwerge sich in Richtung eines der nahegelegenen Häuschen entfernten.

»Ich will ganz offen zu dir sprechen«, antwortete Magnus, »Adrian, der Enkel von Hermer Pallmer, braucht ein eigenes magisches Medium! Ein Gebrauchtes wird für ihn nicht ausreichen. Hermer hat ihn zu seinem Nachfolger bestimmt und ich werde ihn ausbilden! Es ist von höchster Wichtigkeit, dass er schon bald bereit ist, vor dem Rat der Magister und dem Orden von Arlon zu erscheinen!«

Das Lächeln war aus dem Gesicht des Zwerges gewichen. Seine Augen blitzten ärgerlich, als er mit scharfer Stimme antwortete, »Zwerge stellen sich nicht in die Dienste von Menschen, das weiß Ma'Gnus ganz genau!«

»Ja, das weiß ich. Aber wir haben keine andere Möglichkeit, Con'Or. Wir kommen nicht mit einer Forderung zu euch, sondern mit einer Bitte unter Freunden und Brüdern!«

»Meine Antwort ist NEIN!«

Adrian spürte ein leichtes Würgen in seinem Hals. Er konnte den plötzlichen Sinneswandel nicht verstehen. Die anfängliche Herzlichkeit war einer kühlen Distanziertheit gewichen.

»Adrian Pallmer wird den Schwur leisten!«, sagte Magnus mit fester Stimme.

Für eine lange Zeit herrschte totale Stille. Nur ganz in der Ferne waren einige Geräusche zu hören.

»Wird Ad'Rian das wirklich tun?«

Die Augen Con'Ors und der anderen Zwerge, die in der Zwischenzeit zurückgekommen waren, bohrten sich förmlich in Adrian. Hilfe suchend und verwirrt zugleich blickte er zu Magnus, der ihm fast unsichtbar zunickte. Und ganz leise, aber in der Stille nicht überhörbar, antworte er, »Ja!«

'Er wird den Schwur leisten ... Er wird den Schwur leisten ... Er wird den Schwur leisten ...', hallte es immer wieder in Adrian Kopf nach. Aber was für einen Schwur denn?

Con'Or wandte sich wieder Magnus zu und sagte, »Die Versammlung muss entscheiden! Bleibt hier, bis Con'Or zurück ist!«, und ohne ein weiteres Wort zu sagen, verschwanden die Zwerge hinter den nächsten Häusern. Die großen Becher und die Kelle, die die beiden anderen Zwerge gerade mitgebracht hatten, lagen nun unbenutzt vor dem Tisch. Adrian fühlte sich völlig überrumpelt und war auch etwas zornig darüber, von Magnus in so eine verzwickte Lage gebracht worden zu sein.

»Ich kann mir denken, was du gerade empfi...«

»Das glaube ich kaum!«, fiel ihm Adrian mit finsterer Miene in das Wort.

Aber Magnus setzte fort, als hätte er es gar nicht gehört, »... empfindest. Ich denke, ich bin dir eine Erklärung schuldig.«

»Das glaube ich auch ...«, murmelte Adrian kaum hörbar und schaute Magnus fordernd von der Seite an und vermied dabei aber, ihm direkt in die Augen zu sehen.

»Wie ich dir erzählt hatte, sind die Zwerge zum Teil etwas eigenartig. Und sie sind ausgesprochen stolz und würden sich niemals einem Menschen unterordnen. Ich hatte gehofft, dass sie mir meine Bitte nicht abschlagen würden, da dein Großvater und ich eine Art enge Freundschaft mit ihnen pflegten ...«

»Und was bedeutet das mit dem Schwur?«, fiel im Adrian in das Wort.

»Dein Großvater und ich haben den Zwergen vor Zeiten einen Bruderschaftsschwur geleistet. Das heißt, sie sehen mich als einen von ihnen. Dich sehen sie aber noch als Fremden, weshalb sie sich weigern, etwas für dich zu tun.«

»Und deshalb soll ich ein Zwerg werden?«, beinahe musste Adrian dabei lachen, so komisch klang es für ihn, »... und wenn ich gar nicht will?«

Wieder herrschte für einen Moment Schweigen. Dann antwortete Magnus ganz ruhig, »Wenn du nicht willst, lass uns einfach gehen! Du wirst zu nichts gezwungen! Das sagte ich dir ja schon. Entscheide dich aber schnell, denn sie werden bald wieder da sein ...«

»Ich ... aber ... wie ...«, wieder einmal wusste er nicht, was er sagen sollte. Er holte tief Luft und fragte mit etwas zittriger Stimme, »W...Was erwartet mich denn bei diesem Schwur, na ja, ich meine, was muss ich denn schwören? Worauf lasse ich mich da überhaupt ein?«

»Der Bruderschaftsschwur ist eine Zeremonie, wodurch ein in der Regel junger Zwerg in die Kolonie aufgenommen wird. Er verpflichtet sich, zum Wohle der Kolonie zu handeln und sich für deren Bewohner, seine Brüder, einzusetzen. Nur wenn alle stimmberechtigten Mitglieder der Kolonie - die Versammlung - keine Einwände haben, kann jemand aufgenommen werden. Nur außergewöhnlich selten wird ein Nichtzwerg aufgenommen. Ich denke aber, du hättest eventuell eine Chance. Sie mochten alle deinen Großvater und wenn du ihnen erklärst, was DEIN Ziel ist, wirst du sie vielleicht für dich gewinnen können!«

»ICH soll es ihnen erklären?«

Für eine Antwort oder weitere Erklärungen blieb aber keine Zeit mehr. In der Ferne hörte Adrian ein Rauschen und Rasseln, das recht schnell näherkam. Und dann sah er sie - eine gewaltige Menge an Zwergen strömte von allen Seiten an den kreisrunden Tisch heran. Innerhalb kürzester Zeit füllten sich die vielen kleinen Stühle und Adrian spürte, wie sich aberdutzende Augenpaare auf ihn richteten. Seine Knie wurden ganz weich und ihm standen kalte Schweißperlen auf der Stirn.

Con'Or, der ebenfalls wieder erschienen war, trat vor Adrian, Magnus und die schweigende Menge und begann seine Rede.

»Seid willkommen, Bewohner und Arbeiter von O'Ra. Ich, Con'Or, habe die Versammlung einberufen, da unser Freund und Bruder, der Magier Ma'Gnus, ganz unerwartet unter uns ist ...«, und nach einer kleinen Kunstpause setzte er fort, »Lasst uns der Freiheit und Unabhängigkeit von O'Ra gedenken!«

»ES LEBE O'RA!«, schallte es von allen Seiten und das Echo hallte noch lange nach.

»Ma'Gnus hat einen jungen Freund mitgebracht, Ad'Rian Pallmer ...«, setzte Con'Or fort, »... welcher der Enkel des großen Magiers Her'Mer Pallmer ist.«

Ein Raunen ging um den Tisch und an vielen Stellen tuschelten Nachbarn miteinander. Con'Or wartete ab, bis es wieder ruhig wurde.

»Seitdem die Ahnen von O'Ra die Freiheit von der Versklavung der Zauberer erkämpft haben, standen wir niemals wieder unter deren Befehl. UND DAS MUSS UND WIRD SO BLEIBEN!«

Brausender Jubel erfüllte die riesige Höhle. Die letzten Worte musste er schreien, um noch gehört zu werden. Viele der Zwerge waren aufgesprungen und es dauerte wiederum eine Weile, bis Ruhe einzog und er fortsetzen konnte.

»Wir Zwerge beherrschen keine Magie, aber wir besitzen die Kenntnisse und Fähigkeiten, die magischen Elemente herzustellen und zu formen! UND NIEMALS WIEDER WERDEN WIR ZU SKLAVEN DER ZAUBERER, INDEM WIR IHNEN ZU DIENSTEN SIND!«

Wieder tobte die gesamte Höhle. Von überall waren Schreie wie »NIEMALS!« oder einfach nur »JAAHH ...« zu hören. Adrian spürte immer mehr Unbehagen und unschöne Vorahnungen in ihm aufsteigen. Nachdem wieder Ruhe eingezogen war, setzte Con'Or fort.

»Ma'Gnus, der einst mit seinem Begleiter Her'Mer den Schwur der Bruderschaft mit O'Ra einging, OBWOHL er ein Zauberer ist, hat heute von Con'Or gefordert, dass Zwerge von O'Ra seinem jungen Freund hier, Ad'Rian, ein neues, magisches Medium herstellen!«

Ein aufgebrachtes Raunen tönte aus einigen Kehlen. Adrian schaute unsicher zu Magnus, der noch ganz ruhig zu sein schien und ihm erneut kaum merklich zunickte.

»Wir wollen nicht zulassen, dass wir dem Willen eines Zauberers untertan sind!«, forderte Con'Or, der Adrian inzwischen fast feindlich gesinnt zu sein schien. Und wieder erhielt er Zustimmung von vielen der Zwerge.

»Aber Ma'Gnus ist doch ein Bruder von O'Ra. Und wenn ein Bruder von O'Ra Hilfe benötigt, müssen wir sie ihm doch gewähren!«

Nicht weit von ihnen war ein Zwerg aufgestanden. Er trug ein helles Hemd, das aus einem ähnlichen Material wie die Kleidung der Jonsons zu bestehen schien und dazu eine Hose aus braunem Leder. Sein Haar war kurz und wellig und er hatte nur einen kurzen Bart. Insgesamt hatte er ein recht jugendliches Aussehen.

»Wer bist du?«, fragte Con'Or und in seiner Stimme klang deutliches Missfallen durch.

»Ich bin Sa'Ari, der Sohn von Sa'Guor, dem Schmied.«

Wieder wurde es unruhig und erst, als Con'Or wieder ansetzte zu sprechen, verstummten die Zwerge.

»Die Bruderschaft von O'Ra kann Ad'Rian nicht helfen, denn ER ist keiner von uns! Es sei denn ...«, und wieder machte Con'Or eine lange Pause. Es wurde totenstill und alle schauten gespannt auf den Mund des Druiden, der es offensichtlich perfekt beherrschte, die Versammlung zu lenken.

»... es sei denn, die Versammlung entscheidet ... dass Ad'Rian Pallmer in die Bruderschaft aufgenommen werden soll und Ad'Rian Pallmer den Schwur leistet!«

Und wieder wurde es rundherum laut, als ob man sich inmitten eines brodelnden Kessels befinden würde. Aus dem Stimmengewirr waren hin und wieder Wortfetzen zu hören wie: »Den kenne ich doch gar nicht!« oder »Woher sollen wir denn wissen, was er vorhat?« oder »Wir wollen keine Nichtzwerge mehr haben!« oder »Wir lassen uns nicht ausnutzen!« und noch vieles mehr.

Es war ganz offensichtlich, dass ein Großteil der anwesenden Zwerge, aufgestachelt durch die Rede von Con'Or, jetzt ablehnend bis feindlich gesinnt reagierten. Und ohne Adrian auch nur die geringste Chance zu geben, rief Con'Or, der Druide der Zwerge, »WOLLT IHR AD'RIAN, DER KEIN ZWERG IST, IN UNSERE BRUDERSCHAFT AUFNEHMEN? ... WER DAFÜR IST, HEBE SEINE HAND!«

Nur ganz wenige und vereinzelte Hände zeigten sich und Adrian konnte die Ablehnung förmlich spüren. Es wurde immer lauter und die Wenigen, die ihre Hand gezeigt halten, wurden von den Umstehenden attackiert. Wie von einer unsichtbaren Hand hochgehoben, stand Adrian plötzlich von seinem Stuhl auf und fast augenblicklich verstummte die Menge und alle Augen richteten sich auf ihn. Stehend überragte er die Zwerge wie ein Riese. Er blickte noch einmal zu Magnus, der still lächelte und ihm diesmal sichtbar zunickte. Adrian nahm allen seinen Mut zusammen, und nachdem er noch zweimal tief durchgeatmet hatte, begann er leise und zaghaft zu sprechen.

»N...noch vor w...wenigen Tagen wusste ich nicht einmal, dass es Zwerge, gute und böse Zauberer und was weiß ich, was noch, gibt. Ich kannte nicht einmal meinen Großvater. Auch Magnus Jonson hatte ich noch nie gesehen.«

Mit jedem Wort, das er sprach, wurde er sicherer und seine Stimme wurde fest und klar.

»Als ich dann Magnus traf, tauchte ich in eine neue Welt ein. Wir wurden auch von finsteren Gestalten angegriffen, entkamen aber. Ich lernte von Magnus Jonson etwas über meinen Großvater und seinem Kampf gegen das Böse und habe mich entschieden, seine Arbeit fortzusetzen.«

Jetzt musste Adrian erst einmal tief Luft holen. Immer noch waren alle Augen gespannt auf ihn gerichtet. Und so setzte er fort.

»Ich kann noch nicht zaubern und weiß auch sonst gar nichts über die magische Welt. Aber ...«, und dabei schaute er in Richtung seines neuen Lehrers, »... ich vertraue Magnus! Er hat mich hierher gebracht und meinte, dass ihr seine Freunde seid und uns sicher helfen werdet. Wenn nicht, dann finden wir sicher einen anderen Weg, oder?«

Die letzten Worte waren mehr an Magnus gerichtet, der sich auch von seinem Platz erhoben hatte und zu Adrian getreten war und seinen Arm um seine Schultern legte. Er schaute in die Runde und sprach, »Meine Freunde, Zwerge von O'Ra, es ist schon lange her, dass ich und Hermer in eurer Bruderschaft aufgenommen wurden. Ich kenne euren Kodex und ich kenne eure Freiheitsliebe. Aber unser aller Freiheit ist wieder in Gefahr, da die finsteren Schatten von G'Marbor wieder über das Land ziehen. Das Böse gewinnt wieder an Macht. Aber es besteht Hoffnung, wenn diejenigen sich vereinigen, die für Freiheit und das Gute eintreten.«

Die Zwerge verharrten noch immer schweigend und schauten wie gebannt auf die beiden Menschen, die fast doppelt so groß wie sie waren.

»Ich bitte Euch als Freund und Euer Bruder: Schenkt Adrian euer Vertrauen und helft uns! Ihr habt Adrian gehört. Nur gemeinsam können wir die Finsternis besiegen!«

Die Worte von Magnus verhallten und keiner schien sich zu trauen, etwas zu sagen. Sa'Ari, der junge Zwerg, der sich zuvor schon zu Wort gemeldet hatte, erhob sich erneut und sagte, »Sa'Ari wird Ad'Rian und Ma'Gnus helfen! Sa'Aris Vater, der vor wenigen Monaten von einem Unbekannten entführt worden ist, hätte euch geholfen, und Sa'Ari wird es auch tun!«

Con'Or, der Druide der Zwerge, war ebenfalls aufgesprungen und stellte sich ihm in den Weg.

»Wenn Sa'Ari das ohne Zustimmung der Versammlung tut, hat er in der Bruderschaft keinen Platz mehr! Die Versammlung hat ihre Entscheidung getroffen! Niemals wieder werden die Zwerge sich in den Dienst von Menschen stellen!«

Sa'Ari blieb kurz stehen und schaute sich um, aber keiner der anderen Zwerge wollte sich dem Wort des Druiden widersetzen.

»Dann sei es eben so, wie es Con'Or gesagt hat!«, sagte er und schob sich an Con'Or vorbei und streckte Magnus seine Hand entgegen.

»Bringt sie hinaus!«, rief der Druide und eine Gruppe kräftiger Wächterzwerge eskortierten sie schweigend den Weg zurück, bis sie die Höhle wieder verlassen hatten. Sa'Ari hielt sich schützend die Hand vor die Augen, als das grelle Tageslicht sie wieder umströmte. Die Helligkeit bereitete ihm sichtlich Probleme. Ohne zu sprechen, kehrten sie durch ein Lichttor auf die Bergwiese zurück. Adrian ergriff dabei wieder den Arm von Magnus, während dieser mit seiner anderen Hand Sa'Ari festhalten musste. Nachdem sie angekommen waren, sank der Zwerg auf seine Knie und verbarg das Gesicht in seinen Händen. Adrian hörte, wie er schwer atmete. Magnus setzte sich neben ihn ins Gras und wartete schweigend ab.

»Schon gut. Bei Sa'Ari ist alles in Ordnung!«, sagte der Zwerg und setzte sich ebenfalls hin.

»Ma'Gnus und Ad'Rian dürfen das Verhalten der Zwerge nicht verurteilen!«, sagte er nach einer Weile, »Die Zwerge reagieren oft sehr emotional nach den vielen Jahren der Versklavung, sagte oft Sa'Aris Vater. Und erst recht nach den Ereignissen der letzten Wochen!«

»Was ist denn passiert?«, platzte es aus Adrian heraus, der sich inzwischen auch neben den Beiden ins Gras gesetzt hatte.

»Vor vier Monaten«, begann nun der Zwerg zu erzählen, »erhielt Sa'Aris Vater eine dringende Nachricht von einem gewissen Mar'Tens Ko...Ko...Kor...«

»Martens Connet etwa?«

»Ja, genau. Aber ... Ma'Gnus kennt ihn etwa auch?«, in der Stimme des Zwerges schwang eine gewisse Entrüstung mit.

»Ja, ich kenne, oder besser, ich kannte, Martens gut. ER war der erste Schüler von Hermer Pallmer.«

»WAAAS?«, riefen Adrian und Sa'Ari gleichzeitig.

Magnus erzählte den Beiden dann davon, wie Martens von Adrians Großvater ausgebildet worden und wie begabt er gewesen war. Als er seine Fähigkeiten entwickelte, konnte er hin und wieder nicht widerstehen, auch mit der dunklen Seite der Magie zu experimentieren. Doch dabei blieb es dann nicht. Immer und immer tiefer verfing er sich im Laufe der Zeit im Netz der Finsternis. Später verließ er dann die gute Seite völlig, wandte sich der dunklen Magie zu und schloss sich schließlich den Verschwörern von G'Marbor an.

»Seitdem habe ich bis heute von ihm nie wieder etwas gehört, außer vielleicht einige Gerüchte«, schloss Magnus seine Erklärung.

»Aber was ist nun mit deinem Vater passiert?«, fragte Adrian, der es gar nicht erwarten konnte, die Geschichte zu Ende zu hören.

Sa'Ari erzählte weiter, dass Martens auf der Suche nach einem ganz besonderen Schlüssel war und seinen Vater um Hilfe bat. Zuerst wollte ihm sein Vater ja helfen, doch dann musste er irgendetwas herausgefunden haben. Auf jeden Fall verweigerte er fortan jede weitere Unterstützung.

»Noch bevor einer der Zwerge, die sich in unmittelbarer Nähe befanden, eingreifen konnte, wurden er und der Zauberer in dichten schwarzen Nebel gehüllt. Und dann ...«, Sa'Aris Stimme wurde etwas rau, »... als der Nebel weg war, war von Sa'Guor und diesem Mar'Tens keine Spur mehr zu finden!«

Nach einer kurzen Pause setzte er fort, »Versprecht ihr, Sa'Ari zu helfen, seinen Vater zu finden und zu befreien, wenn Sa'Ari euch hilft?«

»Aber wie willst du uns helfen? Wir brauchen einen Schmied, der sich darauf versteht, die magischen Elemente zu formen!«

»Sa'Ari hat alles von seinem Vater gelernt! Und hier ...«, dabei klopfte er auf eine kleine, lederne Umhängetasche, »... ist Sa'Aris Werkzeug!«, sagte er mit einem selbstbewussten Lächeln. Magnus war sichtlich überrascht über diese guten Neuigkeiten und bewegt von der Bereitschaft des jungen Zwerges, alles zu tun, um seinen Vater zu finden.

»Und du bist sogar bereit, Hilfe von Menschen anzunehmen?«

»Sa'Guor, Sa'Aris Vater, hat Ma'Gnus und Her'Mer stets vertraut, also tut es Sa'Ari auch! Sa'Ari wird sogleich beginnen, es ist schon zu viel Zeit nutzlos verronnen!«, sagte der Zwerg und sprang auf.



In der hintersten Ecke des dunklen Raumes kauerte eine kleine, zusammengekrümmte Gestalt. Das einzige Licht, das den Raum kaum erhellte, fiel durch ein kleines, vergittertes Fenster direkt unter der Decke. In der Mitte stand ein kleiner Tisch, auf dessen Oberfläche verschiedene zierliche Werkzeuge lagen - große und kleine Hämmer, verschiedenste Zangen, Feilen, Spitzen, ein kleiner Amboss, ein Schraubstock und noch vieles, vieles mehr. Als die schwere Tür langsam und quietschend geöffnet wurde, drückte sich die kleine Person, bei der es sich unverkennbar um einen alten Zwerg handelte, noch fester in die Ecke und stieß einen unterdrückten Seufzer aus.

»Komm an die Arbeit, Zwerg!«, befahl eine tiefe, gefühllose Stimme mit leichtem slawischen Akzent, die von einem bulligen Mann ausging, der beinahe so breit wie hoch war und einen dunkelroten Umhang trug und der sich mit etwas Mühe durch die Türöffnung quetschte. Sein rundes Schweinsgesicht sah rötlich aus, als ob er gerade etwas Schweres getragen hätte und seine kleinen, böse blickenden Augen blitzten über seinen dicken Wangen hervor, als ob sie hinter zwei Hügeln versteckt waren. Am Mittelfinger seiner rechten Hand trug er einen gewaltigen Ring mit einem wuchtigen, dunklen Stein, der im Zwielicht der Zelle bläulich leuchtete. Da der Zwerg sich nicht rührte, hob er seine Hand mit dem Ring in die Luft, sodass der Stein in Richtung des Gefangenen zeigte.

»Komm an deine Arbeit, oder ich lass dich spüren, was es bedeutet, sich den Anweisungen von Wictor Irkov zu widersetzen.«

Während er sprach, leuchtete der Stein auf und der Zwerg stieß einen kurzen Schrei aus und schleppte sich an den Tisch. Der Aufpasser zog eine kleine Schatulle aus einer Ledertasche, die an seinem Gürtel hing, und stellte sie auf den Tisch neben das Werkzeug. Der Zwerg öffnete sie leicht zitternd mit beiden Händen. Sie enthielt drei Nuggets dunkel glänzendes Metall, das einen gelblichen Schimmer ausstrahlte. Nachdem er die Stücke untersucht hatte, flüsterte er ängstlich, »Dieses Magium ist zu stark verunreinigt! Es lässt sich nicht formen!«

»Tu es trotzdem!«

»Aber ...«

»TU ES! Oder du lernst mich kennen! Niemand wagt es ungestraft, sich mir zu widersetzen! ... FANG JETZT AN!«

Zitternd nahm der Zwerg eine kleine silberne Zange mit drei spitzen Enden und fasste damit das erste Stück Magium. Mit der anderen Hand nahm er einen spitzen Hammer. Vorsichtig schlug er leicht auf das freie Ende des Metalls. Feine weiße Funken sprühten über den ganzen Tisch. Beim zweiten Schlag schien es so, als ob sich das Metallstück im Funkenregen etwas bewegte. Bei jedem weiteren Schlag wurden die Bewegungen stärker, ganz so, als ob das Metall zum Leben erwachte und sich aus dem Griff der Zange befreien wollte. Nur mit größter Anstrengung konnte der Zwerg die Zange noch festhalten. Inzwischen wand sich das lebendig gewordene Metall wie ein eingeklemmter Wurm. Als es vom nächsten Hammerschlag getroffen wurde, riss es dem Zwerg fast die Zange aus der Hand. Er ließ den Hammer fallen und nur mit größter Mühe gelang es ihm mit beiden Händen, das Magium wieder zu bändigen.

»Es ist nicht formbar ...«

»MACH WEITER!«, schrie ihn der dicke Zauberer mit seiner gefühllosen Stimme an und zwang ihn zum Weitermachen. Ein weiterer Hammerschlag traf das Metall und erzeugte eine gewaltige Funkenfontaine, die das ganze Verlies erhellte. Der Zwerg hielt zwar die Zange wieder mit beiden Händen fest, aber das Magium riss mit einer solchen Gewalt daran, dass die Zange mit samt dem Zwerg quer durch das Zimmer flog. Irkov, der vor Schreck einen Schritt zurück machte, stieß mit seinem Kopf mit ganzer Wucht gegen die noch immer offene Tür und zischte etwas in einer unverständlichen Sprache.

»Sa'Guor kann es s...so nicht bearbeiten! N...nicht mit DIESEM Werkzeug!«, stammelte der Zwerg, als er sich vom Boden aufrappelte und noch immer die Zange mit dem sich windenden Metall mit beiden Händen festhielt. Voller Wut stieß der in den dunkelroten Umhang gehüllte Zauberer den Zwerg zurück in die Ecke und sammelte die auf den Boden gefallenen Metallstücke auf und steckte sie zurück in die Schatulle. Als er diese wieder in der Ledertasche verstaut hatte, ging er vor Wut schnaufend zurück zur Tür. Bevor er den Raum wieder verließ, dreht er sich noch einmal etwas herum und richtete seinen Ring auf den am Boden kauernden Zwerg. Ein kurzer, heller Blitz traf den Gefangenen, der vor Schmerz aufstöhnend auf seine Knie sank und flehte, »BITTE ... Bitte ... Sa'Guor hat doch sein Bestes versucht ...«

Als die Tür ins Schloss fiel, sank der Zwerg zu Boden. Aus seiner fest geschlossenen Hand drang ein leichtes gelbliches Leuchten. Und - er kicherte ganz leise vor sich hin ...

ENDE DER LESEPROBE

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