Fantasy-Saga für Kinder, Jugendliche und Erwachsene

Kapitel 3

Kapitel 3: Mortanas letzte Rache

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Scheinbar gar nichts passierte. Das Band des Mykerinos traf auf die schwarze Wolke, in der sich die Hexe verbarg, und wurde einfach von ihr verschluckt.

Adrian stand mit verschränkten Armen da und wartete. Keine Regung auf seinem Gesicht verriet, was er gerade dachte oder was er vorhatte. Einzig ein kleines Lächeln, welches ganz leicht mit seinen Mundwickeln spielte, signalisierte, dass er sich seiner Sache ganz sicher zu sein schien.

»Und?«, fragte Tom ungeduldig in die angespannte Stille hinein.

»Abwarten!«

Mehr sagte Adrian nicht. Doch mehr brauchte er auch gar nicht sagen, denn bereits im nächsten Augenblick begann sich der schwarze Rauch in Luft aufzulösen und Mordana kam zum Vorschein. Hinter der Hexe stand der Protektor, den Adrian dabei beobachtet hatte, dass er der Hexe etwas zugeworfen hatte. Vor ihr auf dem Boden oder genauer gesagt unter ihrem rechten Fuß lag das Band des Mykerinos. Das schlichte Lederarmband rauchte leicht und sah ziemlich zerfetzt aus. Der große, klare Stein, von dem das magische Licht ausging, schien jedoch unbeschädigt zu sein.

»Was geht hier vor?«, kreischte Cleora Mordana, als sie bemerkte, wie sich ihr Tarnzauber verflüchtigte, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Der Versuch, mit der magischen Kralle an ihrem rechten Zeigefinger einen Blitz auf Adrian abzuschießen, scheiterte ebenfalls.

Aber auch die Magister konnten ihrerseits keine Magie mehr ausüben. Von Magnus Jonson und Swør Larsen fielen die Fesseln ab, sodass sie wieder frei waren. Mboa Ubugmas Lage hatte sich jedoch nicht wirklich verbessert. Der Sand war zwar verschwunden, doch nun steckte er wie einzementiert bis über den Bauch im Steinboden des Gerichtssaales fest.

»D's Band des Mykerinos darf nicht b'schädigt werd'n«, rief der Beloaa aus, der plötzlich aus dem Nichts neben der Hexe auftauchte und mit seinem langen Stab gegen deren rechtes Bein schlug. Ihm folgten noch drei Weitere der kleinen Wesen. Auch sie waren mit Stäben bewaffnet, die fast doppelt so lang waren wie sie selbst, und hielten diese abwehrbereit in die Richtung der wütenden Hexe.

»Du wagst es, mich zu schlagen, du jämmerliche Figur! DAFÜR WIRST DU BEZAHLEN!«, schrie sie ihn an und richtete ihre magische Kralle auf den Ersten der Beloaa, der ihr gegen das Bein geschlagen hatte. Doch der Blitz blieb aus.

»D's Band des Mykerinos darf nicht b'schädigt werd'n«, wiederholte der Beloaa noch einmal, ohne auf die Wut und die Beleidigungen der Schwarzen Hexe einzugehen. Da sie ihren Fuß, unter dem das Band des Mykerinos lag, noch immer nicht zur Seite setzte, holte er, ohne noch einmal etwas zu sagen, mit seinem Stab aus und schlug der Hexe mit solcher Wucht gegen ihr Bein, dass es ihr förmlich den Boden unter den Füßen wegriss. Hart und ungebremst schlug sie mit dem Kopf auf.

Als die Hexe plötzlich am Boden lag, versuchte nun ihr Helfer, einen magischen Blitz auf Adrian abzuschießen, doch auch sein Zauberstab versagte in der Gegenwart der Beloaa seinen Dienst.

»Das brauchst du nicht weiter zu versuchen. In deren Gegenwart funktioniert keine Magie. Zumindest nicht die von Zauberern«, sagte Adrian trocken, der seinen Stab bereits in der Innentasche seiner Jacke verstaut hatte.

Mit versteinertem Blick schaute sich der Protektor um, als ob er prüfen wollte, ob es nicht doch noch einen weiteren Unterstützer geben würde. Währenddessen rieb sich die Schwarze Hexe benommen die Stirn und versuchte, vom Boden aufzustehen.

»Ergebt euch. Wir sind klar in der Überzahl. Es ist aus!«

Da sich die ganze Aufmerksamkeit auf Mordana richtete, witterte deren Helfer nun doch seine Chance und rannte einfach los. Möglicherweise hatte er darauf gebaut, dass die anderen Anwesenden sich so auf die Hexe konzentrierten, dass er womöglich sogar würde entkommen können. Doch Adrian hatte etwas dergleichen bereits erwartet, sodass er ihm den einzigen Fluchtweg durch die Eingangstüren abschnitt.

»Nicht doch! Nicht doch! Du willst dich ja wohl nicht einfach aus dem Staub machen, wo du dich gerade so nett zu deiner Herrin gesellt hattest?«, rief ihm Adrian zu. Tom und Juan Sanchés fingen ihn ohne Schwierigkeiten ab, als er versuchte, zur Seite auszuweichen. Obwohl er kurzzeitig Widerstand leistete, wurde sein halbherziger Fluchtversuch bereits nach wenigen Metern im Keim erstickt.

Da er mit dieser Aktion die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte, meinte Mordana ebenfalls, die Gunst der Stunde zu nutzen und ihr Heil in der Flucht zu suchen. Rücksichtslos stieß sie die Beloaa, die sich über das noch immer rauchende Band des Mykerinos bückten, zur Seite.

Adrian, der bereits damit gerechnet hatte, blieb es nicht verborgen. Auch Kristin hatte es bemerkt und stellte der Hexe ein Bein, als diese an ihr vorbeihastete.

Schreiend und grunzend vor Wut landete Mordana schon wieder der Länge nach auf dem Fußboden.

»Wie kannst ...«, wollte sie ihre Tochter erneut anschreien, doch Adrian fiel ihr sofort ins Wort.

»Nicht noch einmal! Es reicht! Es sieht wohl so aus, als ob ich am Ende doch recht behalten hätte. Oder wie sehen sie das? Ja? Ich erkläre ihren jämmerlichen Fluchtversuch für beendet!«, sagte Adrian und äffte dabei die Art von Mordana nach.

Nun übernahmen wieder die Magister. Nachdem ihr die magische Kralle abgenommen worden war, wurde sie zurück an ihren Platz gebracht und in Ketten gelegt. Ihren Unterstützer brachten drei Protektoren aus dem Saal. Er würde sich später sicher noch verantworten müssen.

Trotz all des Durcheinanders waren die Beloaa noch immer anwesend und sorgten mit ihrer Gegenwart dafür, dass sämtliche Magie der Zauberer keine Wirkung hatte. Für das, was um sie herum geschah, interessierten sie sich jedoch nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Band des Mykerinos. Schon nach kurzer Zeit hatten sie es wieder völlig in Ordnung gebracht.



Nur wenigen Anhängern des Geheimbundes G'Marbor war es gelungen, sich abzusetzen, als die Schwarze Hexe überwältigt worden war und ihr eigentlich recht neuer Stützpunkt, der Schwarze Turm von Orccan, von den Magistern eingenommen wurde. Tomar von Eisenberg, der zweite Mann nach der bösen Hexe, war mit Samira entkommen, nachdem Martens Connet von einem Querschläger Mordanas getroffen und getötet worden war.

Auch wenn Samira sich äußerlich nichts anmerken ließ, war sie innerlich total aufgewühlt. Martens Connet war ihr ein guter Freund geworden. Eigentlich war er sogar etwas mehr als das gewesen, obwohl er um einiges älter war als sie, sodass er sogar beinahe hätte ihr Vater sein können.

Doch nun war Martens tot. Und die Schuld daran trug Adrian. Er allein! Er war es auch gewesen, der ihre Familie und ihre Freunde gegen sie aufgebracht und damit ihre Zukunft zerstört hatte. Nun wurden bereits zum zweiten Mal ihre Pläne durchkreuzt und ihr etwas weggenommen, was ihr sehr kostbar war.

Sie hasste ihn. Nein, es war noch mehr als nur Hass. Sie würde ihm niemals verzeihen, was er ihr angetan hatte. Und nichts, wirklich gar nichts, konnte ihre Meinung ändern.

Rache! Sie wollte Rache! Bittere Rache! Keine Grausamkeit, die ihr in den Sinn kam, konnte auch nur annähernd ausreichen als Sühne für das, was er ihr angetan hatte.

Der Gedanke daran, Adrian für das, was er gemacht hatte, zu bestrafen, fühlte sich für Samira gut und richtig an. Sollte er doch dafür leiden, dass sie leiden musste!

Tomar von Eisenberg scharte unterdessen alle um sich, denen eine Flucht gelungen war. Niemand stellte seinen Führungsanspruch infrage. Schon gar nicht jetzt, wo sich Mordana in den Händen des Ordens von Arlon befand.

»Cleora Mordana ist in die Hände des Ordens gefallen«, begann er seine Rede, »Doch das ist nicht das Ende von G'Marbor. Sind wir geschwächt? Ja, das sind wir. Haben wir Verluste erlitten? Ja, wir haben schmerzliche Verluste erlitten. Haben unsere Feinde triumphiert? Ja, das haben sie. Es hilft nichts, um den heißen Brei herumzureden. Einige von uns haben versagt. Jämmerlich versagt, um genau zu sein! Deshalb konnte der Orden von Arlon für einen kurzen, aber entscheidenden Moment die Oberhand gewinnen und G'Marbor diese fürchterliche Schmach bereiten. Mordana ist entmachtet und gefangen, genauso wie viele andere.«

Mit gesenkten Köpfen standen die Anhänger der Schwarzen Hexe da und ließen die Worte von Eisenbergs über sich ergehen. Obwohl er leise und ohne Wutausfälle redete, schnitt sich das Gesagte in die Wahrnehmung der Zuhörer ein wie ein spitzer Dolch.

Im Grunde waren sie jedoch gar nicht so betrübt darüber, dass die Schwarze Hexe nicht hier war, denn sie wäre mit Sicherheit nicht so beherrscht geblieben. Wahrscheinlich hätte sie ihre Wut am Erstbesten oder sogar an allen gleichzeitig ausgelassen, ganz egal, ob er oder sie schuldig waren oder nicht.

Doch auch Tomar von Eisenberg war zornig. Aber er verstand es wie kaum ein anderer, seine Gefühlsregungen zu verbergen. So konnte niemand erahnen, was in ihm vorging, aber es brauchte auch niemand zu befürchten, das Opfer eines plötzlichen Wutausbruchs zu werden. Und das schätzten seine Anhänger an ihm. Nicht wenige wünschten sich ihn als ihren Anführer anstelle der cholerischen Hexe, auch wenn natürlich niemand wagte, es offen auszusprechen. Würde er jedoch den Führungsanspruch geltend machen, so könnte er sich deren Zustimmung und Unterstützung absolut sicher sein.

Nachdem Tomar von Eisenberg eine lange Zeit schweigend in die Runde geblickt hatte, ohne dass irgendjemand es gewagt hätte, vom Boden aufzublicken oder auch nur einen leisen Mucks von sich zu geben, setzte er seine Rede fort.

»Versagen ist Schwachheit. Doch Schwäche können wir uns in diesem erbitterten Kampf nicht leisten. Schwäche wird nicht toleriert! G'Marbor steht für unerbittliche und kompromisslose Stärke. Die Feinde müssen bereits beim bloßen Gedanken an G'Marbor erbleichen und erzittern. Jeder, der sich G'Marbor in den Weg stellt, wird umgehauen. Jeder, der Widerstand leistet, wird vernichtet. Jeder, der G'Marbor nicht unterstützt, muss zugrunde gehen. Für G'Marbor gibt es nichts außer den Sieg! Und G'Marbor wird siegen! ICH werde siegen!«

Mit einem Mal war die Beklommenheit wie weggewischt. Alle jubelten Tomar von Eisenberg zu. Dass sich die Schwarze Hexe, die eigentliche Herrin des Geheimbundes, in der Hand der Magister befand, schien vergessen zu sein. Tomar von Eisenberg war die neue Nummer eins.

Der alte Zauberer hatte sein Ziel beinahe erreicht. Die völlige Herrschaft über G'Marbor war zum Greifen nahe. Die Anhänger der Hexe folgten nun ihm nach. Doch eine Sache gab es noch, die ihm einerseits Sorge bereitete, welche ihn aber auch überaus zornig machte.

»Versagen ist eine Sache, aber ...«, setzte er noch einmal an, »... aber Verrat ist eine andere!«

Äußerlich wirkte er völlig ruhig. Tomar von Eisenbergs Stimme war ganz leise. Trotzdem klang was Bedrohliches darin mit.

»Aber wer sollte G'Marbor denn verraten haben?«, fragte Occura, die relativ kleine Zauberin mit feuerroten, lockigen Haaren, die eine sehr enge Vertraute von Eisenbergs war.

»Wir stehen hinter Mordana und natürlich auch hinter euch! Niemals würde einer von uns G'Marbor verraten! Niemals!«, fügte ein anderer Zauberer sofort hinzu und deutete eine kleine Verbeugung an, um Tomar von Eisenberg seine Treue und Ergebenheit zu demonstrieren.

»Und doch haben sich Verräter in unsere Reihen geschlichen. Isebelle, Mordanas Tochter, gehört zu ihnen. Doch sie ist nicht die Einzige, die sich des Treuebruchs schuldig gemacht hat.«

»Wer war es? Wisst ihr es? Er oder sie sollte umgehend dafür leiden und ausgelöscht werden!«, rief Occura zornig.

»Dein Blutdurst wird gestillt werden. Nur noch nicht jetzt«, erwiderte der alte Zauberer ganz ruhig, aber auch jetzt schwang ein eiskalter Unterton in seiner Stimme mit.

»Zuvor muss ich noch herausfinden, wer mit in die Verschwörung verwickelt ist. Und ich werde es ganz sicher herausfinden! Jeder Verräter wird entlarvt und zugrunde gerichtet werden. Jeder der einen Verräter kennt, ihn aber nicht offen kundtut, ist ebenfalls ein Verräter und wird umgehauen. Dann wird meine Rache schrecklich sein! Schrecklich und vernichtend!«



»Kann ich das Band des Mykerinos bitte zurückhaben?«, fragte Adrian die Beloaa, als diese es wieder in Ordnung gebracht hatten. Ohne viele Worte übergab ihm der Beloaa das Band mit der eindringlichen Aufforderung, es künftig besser zu behüten.

Sofort, nachdem die Beloaa verschwunden waren, kehrte die Magie der Zauberer zurück. Mordana blieb jedoch sicher eingesperrt in ihrem Käfig. Auch dauerte es nicht lange, bis Mboa Ubugma aus seiner misslichen Lage befreit war.

Sichtlich zufrieden mit dem Erfolg seiner Aktion, nickte Adrian seinen Freunden und insbesondere den Magistern zu.

»Das war eine reife Leistung, Adrian«, sagte Magnus anerkennend.

»Ich habe doch gar nichts gemacht.«

»Oh nein, das war eine wahrhaft meisterliche Leistung!«, ergänzte Swør Larsen, »Ohne deinen Beitrag wäre Mordana womöglich das Undenkbare gelungen.«

»Aber es war die Macht der Beloaa, die das bewirkt hat. Ich habe nicht wirklich viel dazu beigetragen.«

»Genau das ist es, was ich meine«, entgegnete Larsen, »Wir, die Magister, haben uns auf unsere Stärken und besonderen Fähigkeiten verlassen und sind damit beinahe gescheitert. Doch du hast einen außerordentlichen Weitblick bewiesen. Du hast den Beloaa vertraut. Jemandem Vertrauen zu schenken, anstatt alles selbst in die Hand zu nehmen, erfordert mindestens den gleichen Mut oder manchmal vielleicht sogar noch etwas mehr.«

Die anderen Magister stimmten dem zu. Von allen Seiten bekam Adrian Anerkennung und wurde fast wie ein kleiner Held gefeiert. Obwohl er sich schon etwas darüber freute, war es ihm trotzdem irgendwie unangenehm. Doch das Wichtigste war, dass Mordana gestoppt worden war.

Unterdessen war die oberste Richterin aus dem Raum gebracht worden. Trotz der Bemühungen der Magister waren die Verletzungen, welche sie erlitten hatte, äußerst schwer. Sie war nicht einmal mehr in der Lage, sich ohne fremde Hilfe auf den Beinen zu halten.

Auch wenn die Hoffnung bestand, dass sie sich wieder vollständig erholen würde, war sie zumindest im Moment nicht in der Lage, die Verhandlung weiterzuführen. Kurzerhand übernahm Swør Larsen, der oberste Magister des Ordens von Arlon, den Vorsitz und damit die Aufgaben der Richterin.

Da dadurch sein Platz als Ankläger unbesetzt war, musste ein Vertreter gefunden werden. Dafür verließen die Magister den Gerichtssaal. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie wieder zurückkamen. Ohne eine lange Beratung hatten sie sich auf einen neuen Vorschlag geeinigt.

»Adrian. Der Rat der Magister hat einstimmig dafür gestimmt, dass du den frei gewordenen Platz von Swør Larsen einnehmen sollst. Bist du dafür bereit?«

»Bereit? Natürlich nicht!«, antwortete Adrian mit gedämpfter Stimme, »Ich weiß ja noch nicht einmal, was ich zu tun hätte. Aber ... ich werde es trotzdem machen! Das Tribunal hat sich schon viel zu lange hingezogen. Und wenn ich auch nur einen klitzekleinen Beitrag dazu leisten kann, endlich der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, dann werde ich das tun.«

»Das ist nicht euer Ernst!«, mischte sich die Schwarze Hexe plötzlich ein, nachdem sie vergeblich versucht hatte, sich ihrer Fesseln zu entledigen. »Der ist doch noch fast ein Kind. Das ist doch ...«

»Und dieses, wie du es sagst, 'Kind' hat dich nun schon zum zweiten Mal besiegt. Doch Adrian Pallmer ist kein Kind mehr. Er ist der Hüter des Siegels und als solcher den Magistern ebenbürtig. Durch seine Taten hat er seinen Mut, seine Fähigkeiten und seinen edlen Charakter gezeigt. Er ist dieser Aufgabe würdig, ganz egal, ob dir das gefällt oder nicht«, fiel ihr Magnus ins Wort.

Nachdem Adrian seine Pflichten erklärt worden waren, mussten die Aufgaben erneut ausgelost werden. In der Mitte des Saales schwebte wieder eine Glasschale von der Decke herab, in der sich versiegelte Schriftröllchen befanden. Jeder der zwölf Zauberer, die als Ankläger und Verteidiger bestimmt waren, zog sich eine der Rollen. Als Letzter war Adrian an der Reihe.

Glanz langsam öffnete er das Siegel. 'Hoffentlich nicht Verteidiger! Hoffentlich nicht Verteidiger! ...', sagte er immer wieder in Gedanken zu sich selbst. Wie könnte er Mordana auch noch verteidigen, wo sie doch verantwortlich war für den Tod seines Großvaters. Genauso trug sie die Schuld für Helmut Krogers Tod und noch zahllose andere Verbrechen. Sie hatte seine Familie angegriffen und seine kleine Schwester gefoltert und gequält. Wie sollte er so eine Person verteidigen können?

Mit geschlossenen Augen rollte er das Papier auseinander. Vorsichtig blinzelnd las er die Aufschrift. '2. Verteidiger' stand in großen Buchstaben auf dem ausgerollten Zettel. Ganz bleich und unfähig, überhaupt irgendetwas zu denken, las er die eine Zeile immer und immer wieder durch. Es konnte nicht sein. Nein, es durfte nicht sein! Doch egal, wie oft er den Text auch durchlas, es änderte sich nichts daran.

Magnus, der direkt neben ihm stand und einen Blick auf den Zettel geworfen hatte, legte Adrian seinen Arm auf die Schultern. So leise, dass niemand sonst es hören konnte, sprach der alte Zauberer zu ihm: »Denkst du, dass du das hinbekommst?«

»Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Wie soll ich Mordana verteidigen, wenn ich doch eigentlich möchte, dass sie für all das Böse, was sie getan hat, auch bestraft wird. Und zwar hart!«

»Möchtest du, dass sie ungerecht bestraft wird?«, fragte Magnus weiter.

»Nein, das nicht. Aber ich möchte auch nicht, dass sie womöglich einfach so davonkommt. Ich will, dass sie ihre gerechte Strafe bekommt.«

»Und genau das ist deine Aufgabe, verstehst du? Du musst dafür sorgen, dass keine Ungerechtigkeit entsteht. Es soll nichts unter den Teppich gekehrt werden, aber es darf auch keine Willkür walten, denn Unrecht lässt sich nicht durch Ungerechtigkeit auflösen. Verstehst du? Die Verteidiger und die Ankläger arbeiteten nicht gegeneinander, sondern gemeinsam versuchen sie, die Wahrheit ans Licht zu bringen und Gerechtigkeit auszuüben. Wenn du auch dieses Ziel hast, bist du genau der Richtige.«

Obwohl sich Adrian noch immer nicht ganz wohl fühlte, nickte er zustimmend und setzte sich auf seinen Platz.



Es dauerte mehr als drei Wochen, bis endlich alle Zeugen angehört worden waren. Die Liste der Vergehen, welcher sich die Schwarze Hexe schuldig gemacht hatte, wurde länger und länger. Einsicht oder sogar Reue zeigte Cleora Mordana zu keinem Zeitpunkt. Vielmehr steigerte sie sich immer weiter in ihren Zorn hinein, der sich in wüsten Beschimpfungen in Richtung der Richter und der Zeugen, die gegen sie aussagten, entlud.

»Ihr werdet mich niemals besiegen! NIEMALS! Ihr alle seid Schwachköpfe! Schon bald werde ich wieder frei sein und triumphierend eure Köpfe mit meinen Füßen in den Dreck treten. Ihr werdet den Tag noch verwünschen, an dem ihr es gewagt habt, Hand an mich, die große Cleora Mordana, zu legen.«

»Schweig endlich still, Mordana«, entgegnete Swør Larsen trocken, ohne auf ihre Beleidigungen einzugehen. »Das hohe Gericht und der Rat werden sich nun zurückziehen, um ihr Urteil zu fällen.«

Der oberste Magister, der ja gleichzeitig auch als oberster Richter fungierte, verließ ohne weitere Worte mit den beiden anderen Richtern den Gerichtssaal. Ihnen folgten die Mitglieder des Rates, der sich aus den Anklägern und Verteidigern des Tribunals zusammensetzte.

Zurück blieben neben der Angeklagten nur die Zeugen und die Wächter, welche die Schwarze Hexe zu keiner Zeit aus den Augen ließen.

Im Herausgehen warf Adrian Kristin noch einen kurzen Blick zu. Ihr war anzusehen, dass sie froh war, dass nun alles bald ein Ende haben würde. Mordana hatte sie bei ihrer Zeugenaussage immer wieder so hart attackiert und beleidigt, dass Larsen unzählige Male eingreifen musste. Obwohl Kristin mehrmals Tränen über die Wangen liefen, hatte sie bis zum Schluss durchgehalten. Mit einem etwas gezwungen wirkendem Lächeln nickte sie Adrian zu.

Die Richter und der Rat versammelten sich in einem der Nachbarräume, um dort darüber zu beraten, welche Strafe über Mordana verhängt werden sollte. Nachdem alle Räte ihre Einschätzung vorgetragen hatten, sprachen nacheinander alle drei Richter.

Darüber, dass die Schwarze Hexe schuldig war, bestand bei allen nicht der geringste Zweifel. Auch bei der Strafe wurde schnell Einigkeit erzielt. Cleora Mordana sollte verbannt werden an einen geheimen Ort, wo sie weder gefunden noch befreit werden konnte und von wo sie sicher niemals würde zurückkehren können.



»Gibt es einen solchen Ort überhaupt?«, fragte Kristin überrascht, als Swør Larsen das Urteil des Tribunals verkündete, »ich hatte gedacht, dass ...«

Sie sprach ihre Gedanken nicht zu Ende. Nach innen gekehrt setzte sie sich wieder auf ihren Stuhl und starrte auf den Boden.

»Hast du etwa gedacht, dass ...«, fragte Tom vorsichtig nach, wurde aber sofort von Kristin unterbrochen.

»... dass sie den Tod verdient hat?«

Tom antwortete nicht auf ihre direkte Frage. Deshalb setzte Kristin fort.

»Nein, das meinte ich nicht. So einfach sollte es ihr nicht gemacht werden!«

»Einfach? Was meinst du mit einfach?«, fragte Camille.

»Ihr wisst doch, was sie mit mir gemacht hatte. Die Folter der Noxuren war schlimm, aber mich immer wieder daran zu erinnern, dass ich von der eigenen skrupellosen Mutter für deren Gier nach Macht geopfert und verkauft und diesen Bestien überantwortet worden war, vertausendfachte den Schmerz noch. Eigentlich wünschte ich mir, dass sie so etwas wie ich auch erleiden sollte, aber das wird wohl mit eurer Moral nicht vereinbar sein. Wie auch immer. Eigentlich muss ich ihr sogar dankbar sein.«

»Dankbar? Dankbar wofür? Dass sie dich hat leiden lassen?«, fragte Tom mit finsterem Blick.

»Ja. Ganz genau!«

An Camilles und Toms Blick konnte Kristin sehen, dass die Zwei ihr nicht folgen konnten.

»Ganz einfach! Ich war auf dem besten Weg, so zu werden wie sie: hinterhältig, böse, gemein und so weiter. Die Zeit in den Fängen der Noxuren hat mir die Augen geöffnet. Und dann ...«

Kristin hielt für einen Moment inne. Tränen stiegen ihr in die Augen. Weder Tom noch Camille sagten etwas.

»Und dann ...«, setzte sie noch einmal an, »... habt ihr mich befreit und mir das Gefühl gegeben, als wäre ich eure Freundin ...«

»Du bist unsere Freundin!«, sagte Camille sofort und Tom nickte zustimmend.

»Danke, Camille. Ich weiß es inzwischen auch selbst. Ihr seid die ersten wirklichen Freunde, die ich habe. Und genau deshalb müsste ich der alten Hexe sogar dankbar dafür sein, was sie mit mir gemacht hat. Andere hatten nicht so viel Glück wie ich. Wie zum Beispiel dieser alte Mann, der sich ebenfalls in den Fängen der Noxuren befand, als ihr mich befreit habt. Irgendetwas war an ihm besonders. Ich weiß nur nicht was. Aber ich muss es unbedingt herausfinden.«

»Was meinst du mit 'besonders'?«

»Keine Ahnung. Es ist nur so ein Gefühl. Erinnert ihr euch noch, was er zu mir gesagt hatte? Er sagte, dass es schön war, dass er mich wiedergesehen hatte. Ich erinnere mich jedoch überhaupt nicht daran, ihm zuvor schon einmal begegnet zu sein. Andererseits fühlte ich mich sofort irgendwie mit ihm verbunden. Und er hat mir das hier gegeben.«

Kristin zog den kleinen Lederbeutel hervor, den ihr der alte Mann nur wenige Augenblicke, bevor er verstorben war, übergeben hatte.

»Ja, ich erinnere mich«, sagte Camille. »Und? Was ist in dem Beutel drin?«

»Ich ... ich weiß es nicht«, antwortete Kristin mit gesenktem Blick.

»Du weißt nicht, was da drin ist, obwohl du das Ding schon wochenlang mit dir herumschleppst? Hast du denn nie hineingeschaut?«, wunderte sich Tom.

»Nein. Ich ... ich habe mich nicht getraut ...«

»Du hast dich nicht getraut? Wovor hast du denn Angst?«, fragte Tom mit einem Kopfschütteln.

»Lass sie doch!«, wurde er umgehend von Camille getadelt, doch Kristin nickte zustimmend.

»Ja, es stimmt, ich hatte Angst und die habe ich noch immer! Aber nicht, wie ihr vielleicht denkt. Ich fürchte mich nicht davor, dass irgendetwas Schlimmes passiert. Nein, wovor ich wirklich Angst habe, das ist, was ich womöglich erfahren könnte. Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass ich dafür schon bereit bin. Vielleicht werde ich das auch nie sein. Andererseits schwindet womöglich gerade meine letzte Chance, Antworten zu erhalten, wenn Mordana unwiderruflich verbannt wird.«

»Vermutlich hast du recht. Falls du von ihr noch Antworten erwartest, bleibt dir nicht mehr viel Zeit. Anderseits denke ich kaum, dass sie dir überhaupt die Wahrheit sagen wird, oder?«, warf Camille ein.

»Wahrscheinlich ...«

»Eben! Dann ist es ja egal, wann du das Geheimnis lüftest. Lass dir einfach Zeit, bis du dich bereit dafür fühlst«, versuchte Camille Kristin zu beruhigen.

»Also, wenn ich du wäre, dann würde ich ...«, sagte Tom mit hörbarem Unverständnis in der Stimme.

»Bist du aber nicht«, schnitt ihm Cami jedoch gleich das Wort ab. Tom wollte zwar noch etwas entgegnen, doch ein scharfer Blick seiner Freundin signalisierte ihm, dass er sich jetzt doch lieber nicht weiter einmischen sollte und das tat er dann auch nicht.

In der Zwischenzeit war Mordana aus ihrem Käfig geholt worden. Umringt von mehreren Magistern und Protektoren sollte sie nun in die Mitte des Gerichtssaals gebracht werden. Doch sie bewegte sich nicht von der Stelle. Selbst als Larsen sie harsch aufforderte, ihm zu folgen, zeigte sie keinerlei Reaktion. Noch nicht einmal eine Regung auf ihrem Gesicht ließ erkennen, dass sie hörte, was er zu ihr sagte.

Für einige Zeit hatte sie kein einziges Wort gesprochen. Auch ihr höhnisches Lachen war verstummt. Doch plötzlich fing sie an zu kreischen. Der Ton war so hoch und grell, dass alle, die sich noch in dem Saal befanden, unweigerlich ihre Ohren zuhalten mussten.

Einer der Protektoren verlor sogar sein Gleichgewicht und sank auf seine Knie. Für einen kurzen Moment hatte er sich dadurch nicht unter Kontrolle, sodass ihm sein Zauberstab entglitt und auf den Boden fiel.

Wie ein Leopard, der mit angespannten Muskeln auf der Lauer liegt, um im richtigen Moment über seine Beute herzufallen, löste sich die Schwarze Hexe aus ihrer Starre und sprang in genau diese Richtung.

Um ein Haar hätte sie es tatsächlich geschafft, den Zauberstab zu erreichen, doch Adrian und Kristin, die beide Mordana nicht für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen gelassen hatten, waren noch vor ihr zur Stelle. Während Kristin den Zauberstab mittels eines Hebezaubers aus der Reichweite der Hexe beförderte, schoss Adrian einen magischen Blitz auf sie ab.

Der Blitz schlug nur wenige Millimeter neben ihr ein. Bei dem Versuch, ihre Richtung zu ändern, um dem Blitz im letzten Moment doch noch ausweichen zu können, war die Hexe jedoch hart mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen. Sie daran zu hindern, den Zauberstab in ihre Finger zu bekommen, war zwar gelungen, doch dafür kam sie dem Protektor, welcher noch immer auf dem Boden hockte, sehr nahe. Zu nahe!

Bevor jemand eingreifen konnte, stürzte sie sich auf ihn. Erbarmungslos legte sie ihre Krallen um seinen Hals und riss ihren Mund weit auf, als wollte sie ihre gelb-braun verfärbten Zähne wie ein wildes Tier in sein Fleisch schlagen.

»Jetzt reicht es aber!«, donnerte der oberste Magister, Swør Larsen, während er gleichzeitig zusammen mit den anderen Magistern mehrere magische Blitze auf die Hexe feuerte. Einigen der Blitze konnte sie noch ausweichen. Von drei Weiteren wurde sie von vorn und von einem von hinten getroffen. Die Wucht der Blitze warf sie zum wiederholten Male zu Boden und ließ sie sogar ein Stückchen über den glatten Stein rutschen. Von ihrem Opfer musste sie dadurch zwar notgedrungen ablassen, doch bäumte sie sich wild mit ihren Armen in der Luft herumfuchtelnd auf.

Obwohl oder vielleicht auch gerade weil sie sich eigentlich in einer aussichtslosen Lage befand, kämpfte sie verbissen weiter. Wie schon bei ihrem Angriff auf die Richterin spuckte die Hexe um sich und versuchte damit, die Magister und Protektoren zu treffen, die einen Ring um sie gebildet hatten. Doch nach ihrem ersten Angriff waren alle vorbereitet und wehrten ihre Attacken ohne große Mühe ab. Gespeist von weiteren Blitzen aus ihren Zauberstäben und magischen Ringen bildete sich ein leuchtender Kreis um die Hexe, dessen Linie nicht überschritten werden konnte, sodass eine Flucht unmöglich wurde.

Beißender Rauch stieg von den Stellen auf, wo ihr Speichel auf dem Boden landete und kleine Feuer entzündete. Da der Stein jedoch nicht brennbar war, konnte die Schwarze Hexe dadurch keinen großen Schaden anrichten. Unterdessen zog sich der Kreis immer weiter zusammen.

Wütend über ihren Misserfolg begann sie, auf den Orden zu schimpfen.

»Wie könnt ihr es nur wagen, euch als Richter über mich aufzuspielen. Ihr seid nichts. Dreck! Nein, weniger als Dreck! Keiner von euch ist mir ebenbürtig. Nicht einmal alle zusammen könnt ihr es mit mir aufnehmen. Ich stehe über euch. Und ich werde euch dafür bestrafen, dass ihr euch gegen mich erhoben habt. Ihr werdet zittern und beben, wenn mein Zorn über euch kommt! Ihr werdet mich niemals unterwerfen. NIEMALS! Habt ihr das verstanden? NIEMALS! Ja, ihr werdet den Tag noch verwünschen, an dem ihr es euch angemaßt habt, euer lächerliches Tribunal abzuhalten. Jeder Einzelne von euch wird dafür bezahlen. Und leiden! Ja, ich lege einen Fluch auf euch! Keiner von euch wird mir entkommen! KEINER!«

Ungeachtet ihrer Drohrede zog sich der leuchtende Kreis immer enger um sie zusammen. Die Gesichter der Magister waren ernst, aber keiner der Zauberinnen und Zauberer zeigte sich beeindruckt. Genausowenig war Angst oder gar Schrecken darin zu sehen, wie es sich die Schwarze Hexe erhofft hatte. Vielmehr waren die Magister fest entschlossen, die Auseinandersetzung mit Mordana endlich zu beenden.

»Ich warne euch ein allerletztes Mal!«, kreischte sie noch einmal laut los. Da die Magister aber auch darauf nicht reagierten, spuckte sich die Schwarze Hexe auf ihre linke Handfläche und begann damit, den klebrigen Speichel mit der anderen Hand zu verreiben.

»Man, das ist ja ekelhaft«, flüsterte Tom in Camilles Ohr, die etwas abseits stehend alles beobachteten. Cami nickte zwar zustimmend, blickte aber weiter wie gebannt auf die Hexe.

Während diese weiter ihre Hände aneinander rieb, murmelte sie leise unverständliche Dinge vor sich hin. Zwischendrin stieß sie immer wieder grelle Schreie aus. Was zwischen ihren Handflächen passierte, war nicht zu sehen, doch schon nach kurzer Zeit quoll dunkler, schwarzer Rauch hervor.

Die Magister reagierten überhaupt nicht darauf, sondern konzentrierten sich mit ihrer ganzen Kraft auf den leuchtenden Ring. Dieser war höchstens noch zwei Armlängen von Mordana entfernt. Sein Leuchten erhellte den ganzen Raum. Nur rund um die Schwarze Hexe, wo sich nach und nach immer mehr von dem schwarzen Rauch sammelte, blieb es weiterhin dunkel.

Nun begann die Hexe, wild mit ihren Armen in der Luft herumzuwedeln. Aus beiden Handflächen quoll dichter schwarzer Rauch und hüllte Cleora Mordana in eine dunkle Wolke, die begann, sich langsam um ihre eigene Achse zu drehen.

Gleichzeitig setzten auch die Magister den leuchtenden Ring in Bewegung, sodass er in entgegengesetzter Richtung um die gleiche Achse rotierte. Kleine Funken sprühten wie winzige Schweifsterne vom Ring in die Umgebung. Sobald jedoch eines der Fünkchen mit der schwarzen Wolke in Berührung kam, erlosch es augenblicklich.

»Ihr könnt mich nicht aufhalten!«, schrie Mordana triumphierend, als sie das beobachtete.

»Du irrst dich sehr, Mordana!«, entgegnete Swør Larsen mit fester Stimme. »Wir können und wir werden hier und jetzt deinem Unwesen ein Ende setzen.«

»NIEMALS! Ihr werdet mich niemals besiegen! Versteht ihr das? NIEMALS!«

Aus einiger Entfernung sah es so aus, als würden die Hände Mordanas brennen, so heftig qualmten diese. Immer mehr schwarzer Rauch sammelte sich um die Hexe. Die düstere Wolke wurde größer und drehte sich schneller und schneller.

Auch der leuchtende Ring, den die Magister mit ihrer Energie speisten, rotierte weiter. Er strahlte inzwischen so hell wie die Mittagssonne, obwohl er auch weiterhin eigentlich nur aus einem recht dünnen Lichtschweif bestand.

Lauthals lachend breitete nun die Hexe ihre Arme aus. Die Wolke folgte ihren Bewegungen und wuchs zu bedrohlicher Größe an. Erst, als sie den leuchtenden Ring erreichte, stockte ihr Wachstum, als würde sie von einer unsichtbaren Wand aufgehalten.

Ein lauter Schrei war die Antwort der Schwarzen Hexe auf den offensichtlichen Widerstand. Mit einer Bewegung, als wollte sie etwas werfen, dirigierte sie die Wolke in die Richtung des obersten Magisters, doch wieder konnte die schwarze Wolke die leuchtende Linie nicht überschreiten.

Auch ein zweiter und dritter Versuch scheiterte in gleicher Weise. Voller Zorn warf sich die Hexe mitsamt der schwarzen Wolke gegen die dünne leuchtende Linie des magischen Bannkreises. Doch auch dieser blindwütige Angriff zeigte nicht die Spur einer Wirkung.

»GENUG!«, rief Larsen mit donnernder Stimme. »Cleora Mordana. Wir verbannen dich für alle Zeiten, auf dass niemals wieder Leid, Streit noch irgendein anderes Übel von dir ausgehen möge!«

Mit diesen Worten stieß der riesige Zauberer mit seinem Zepter auf dem Boden auf. Ein glitzernder Schweif ging von der Stelle aus und verband sich mit der leuchtenden Linie des Bannkreises. Für einen Moment passierte gar nichts, doch dann begann der Kreis, sich zusammenzuziehen. Mit aller Macht kämpfte die Hexe dagegen an, aber die Kraft des Bannkreises war stärker. Die schwarze Wolke, und mit ihr Mordana selbst, wurde immer kleiner. Alle ihre wütenden Schreie und ihr Kampf gegen den Bann konnten nichts mehr ausrichten.

Schon nach wenigen Minuten war der Bannkreis auf die Größe eines kleinen Tellers zusammengeschrumpft und mit ihm auch die Hexe. Noch einmal versuchte sie, mit all ihrer Magie gegen den Bann anzukommen. Das Licht des Kreises begann zu flackern. Dabei wurde es immer heller. Mordana und die schwarze Wolke waren kaum noch zu erkennen.

Plötzlich erschütterte ein lauter Knall den Gerichtssaal. Fetzen der dunklen Wolke, vermischt mit den leuchteten Funken des Bannkreises, breiteten sich überall aus.

ENDE DER LESEPROBE

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